Die aktuell gefühlte Situation
Gefühlt haben viele Menschen in Deutschland den Eindruck „Wohneigentum ist so teuer, dass es für Normalverdiener nicht mehr finanzierbar ist“.
Nach dem starken Zinsanstieg Ende 2022 von teilweise unter 1% Zins für Baugeld mit 10jähriger Festschreibung, auf knapp 4% Mitte 2023 ist für viele der Traum vom Eigenheim nicht mehr finanzierbar. Jedenfalls nicht ohne Kompromisse oder deutliche Einschränkungen. Der Zinsschock sitzt tief. Wie haben sich die Zinsen entwickelt?
3% Änderung beim Zinssatz ging oft innerhalb mehrer Jahre vonstatten. Hier haben sich die Rahmenbedingungen innerhalb weniger Monate grundlegend verändert. Die Situtation ist gefühlt schockierend. Laut Jochen Möbert, Volkswirt bei Deutscher Bank Research, war der Deutsche Markt noch 2008 stark unterbewertet und ein Großteil des Preisanstiegs der vergangenen Jahre lediglich eine Aufholbewegung.“
Welche Fakten werden verglichen?
Auch für Immobilienexperten ist ein Vergleich mit früheren Zeiten schwer. Für einen Vergleich müssen mehrere wichtige Parameter betrachtet und zusammengefügt werden. Die wichtigsten Kennziffern sind Immobilienpreise, Einkommen, Inflation und die Zinsen.
Nur zwei starke starke Anstiege der Immobilienpreise seit den 1980ern
Die nominalen Daten der OECD zu den Immobilienpreisen zeigt, dass es in Deutschland nur zwei Phasen mit einem deutlichen Preisanstieg gab.
Die Immobilienpreise legten nach der Wiedervereinigung zwischen 1990 bis 1995 zu. Einen noch
deutlich stärkeren Anstieg gab es seit Beginn des letztens Booms ab 2010. In den 1980ern und von 1995 bis 2010 bewegten sich die Immobilienpreise auf der Stelle. Insgesamt liegt das Plus seit 1980 bei rund 160 Prozent.
Rechnet man die Inflation mit ein, gab es in den Phasen der nominalen Stagnation real sogar teils deutliche Wertverluste. Insgesamt sind die Hauspreise real seit 1980 nur um 15 Prozent gestiegen.
Die Einkommensentwicklung seit den 1980ern
Die Einkommen sind im selben Zeitraum deutlich stärker gestiegen als die Immobilienpreise.
Anders sieht die Entwicklung der Haushaltseinkommen aus. Hier gab es laut dem Statistischen Bundesamt seit 1980 sowohl nominal als auch real einen kontinuierlichen Anstieg. Nominal legten die Einkommen um 210 Prozent zu, real um 40 Prozent. Insgesamt sind die Einkommen deutlich stärker gestiegen als die Immobilienpreise.
Einfluss der Bauzinsen
Die meisten benötigen für den Kauf eines Haus oder einer Wohnung einen Kredit. Die Höhe der Bauzinsen spielt daher eine entscheidende Rolle beim Thema Erschwinglichkeit. Für viele war der Anstieg von einem Prozent, auf zwischenzeitlich um die vier Prozent im vergangenen Jahr ein Schock. Historisch betrachtet befinden wir uns auf einem eher niedrigen Zinsniveau. Anfang 1979 gab es innerhalb eines Jahres einen deutlich Zinsanstieg von 6,75 Prozent auf zehn Prozent im April 1980. Ein Jahr später erreichten sie zwölf Prozent.
Seit der Wiedervereinigung sind die Zinsen bis auf kleine Zwischenphasen bis zum Zinsschock im vergangenen Jahr immer weiter gesunken. Aktuell befinden wir uns ungefähr auf dem Zinsniveau zu Beginn des Immobilienbooms 2011, weit weg von zwölf Prozent Anfang der 1980er.
Wie erschwinglich ist Wohneigentum im Vergleich
Zur Bestimmung der Erschwinglichkeit ist der Hauspreisindex der OECD ein wichtiger Indikator. In diesem Index werden die nominalen Hauspreise und die nominalen Einkommen aggregiert. Betrachtet man nur diese beiden Parameter, sind Immobilien aktuell genauso erschwieglich wie 1995. Wohneigentum war 1980 sehr teuer, und wurde bis 2010 immer erschwinglicher.Die sind Einkommen stärker gestiegen sind als die Immobilienpreise. Auf dem Höhepunkt nach zehn Jahren steigender Preise Ende 2021 war Wohneigentum noch so erschwinglich wie 1985 und lag damit unter dem Höchststand von 1980.
Wie erschwinglich sind Immobilien im historischen Vergleich?
Berechnet man dies Zinskomponente in den Erschwinglichkeitsindex mit ein, wird der Unterschied zu den 1980er-Jahren noch deutlicher als in der OECD-Betrachtung. Das Handelsblatt Research Institute hat dies auf Grundlage des Erschwinglichkeitsindexes der Deutscher Bank Research berechnet. Diese Berechnung geht aber nur bis 2005 zurück. Danach war es Anfang der 1980er-Jahre viermal schwieriger, ins Eigenheim zu kommen, als heute. In dieser Betrachtung befinden wir uns aktuell wieder auf dem Niveau von 2008, was historisch betrachtet immer noch niedrig ist. Wohneigentum ist bis auf wenige kurze Phasen immer erschwinglicher geworden. Ein Beispiel für eine solche Phase ist die Wiedervereinigung. In dieser gab es eine ähnlich schnelle und starke Verschlechterung bei der Erschwinglichkeit. Die Situation von heute ist mit dieser vergleichbar.
Die Zinsbelastung im Vergleich
Eine Berechnung des Finanzierungsvermittlers Interhyp für das Handelsblatt zeigt, wie viel höher die Belastung damals war:
1980 lag die monatliche Belastung für ein Darlehen von 200.000 Euro mit einer zehnjährigen Zinsbindung bei 1750 Euro. Über zehn Jahre hinweg summierten sich alleine die Zinskosten auf 178.000 Euro. Heute läge die Rate trotz Zinsschock bei 1166 Euro bei Zinskosten von rund 67.000 Euro. Zum Vergleich: Vor dem Zinsanstieg im Juni 2021 lag die Rate bei 666 Euro bei geringen Zinskosten von 17.000 Euro.
Ergebnis
Auch wenn es sich anders anfühlt, aktuell sieht es insgesamt um die Erschwinglichkeit des Eigenheims im historischen Vergleich nicht schlecht aus,. Dies hat vor allem zwei Ursachen: Die Bauzinsen sind über Jahrzehnte immer weiter gesunken, was positiv für einen Immobilienkäufer ist, der einen Kredit benötigt. Die zweite Ursache ist, die Einkommen sind stärker gestiegen als die Immobilienpreise.
Allerdings hat sich auch das Konsumverhalten, der Anspruch, und die Erwerbstätigkeit von Frauen stark geändert. Laut Werner Lohmüller Immobilien gibt es einen weiteren Unterschied zu den 1980er-Jahren. Viele Käufer werden heute finanziell von Verwandten unterstützt.
Früher habe man sich mehr einschränken müssen als zuletzt und habe auch mehr gespart als heute. Dessen ist sich Reiner Braun, Chef des Wohnungsforschungsinstituts Empirica, sicher.
Im historischen Vergleich sieht es um die Erschwinglichkeit gar nicht so schlecht aus. Auch wenn es für viele Käufer eine bittere Wahrheit ist, der Traum vom Eigenheim wird in der aktuellen Zeit nur mit mehr Einschränkungen funktionieren. Möbert von Deutscher Bank Research bringt es auf den Punkt: „In der Boomphase war kein Verzicht beim Immobilienkauf nötig, das war aber eine historische Ausnahme.“